Diese Transformation ist das Ergebnis einer Anpassung an den ökonomischen Zeitgeist. Weg aus dem operativen Geschäft, hin zur Verwaltung von Anteilen, Beratung auf Führungsebene und Venture Capital. Um als etabliertes Unternehmen oben zu bleiben, ist Veränderungswillen gefragt. Auf unserer Reise begegnete uns ein altes Leistungsprinzip auf dem Cover eines Management-Ratgebers: »Oben bleiben. Immer.« Darin geht es darum, wie CEOs in Zeiten von Unsicherheiten ihr Unternehmen an der Spitze halten. Die Autoren sprechen von dem »quälenden Bewusstsein der Verwundbarkeit in einer Welt, die zunehmend aus den Fugen geraten zu sein scheint« (Collins & Hansen, 2012, S. 15). War es dieser Druck, den Karl-Erivan Haub im Extremsport ausgleichen wollte? Ging es darum, der eigenen Verwundbarkeit etwas entgegenzusetzen? Den Gewalten zu trotzen? In einer Leistungsgesellschaft muss man funktionieren – dieser Erwartung müssen auch wir standhalten. Allerdings verschiebt sich das Gefühl, was und wo oben ist, mit der Vergleichsgruppe. Ein Milliardär vergleicht sich mit anderen Milliardären. Nach Karl-Erivan Haubs Verschwinden machte sein Bruder Christian Haub die Transformation zur Tengelmann Twenty-One KG final.
Zusätzlich stellt sich die alte Frage: Warum ist es für die sechs Teilnehmer dieses Projekts quasi unmöglich, in die Kreise vorzudringen, mit denen sich Karl-Erivan Haub, seine Brüder und der Rest des Firmenvorstands umgeben haben? Haben sie es dann überhaupt verdient, dass man sich ihren Geschicken widmet? Sollte man nicht eher die Geschichte derer erzählen, mit denen sie ihr Geld verdienen? Oder ist es unter Umständen nicht so einfach, wie es daherkommt?
»Finding Tengelmann« erzählt im Bewusstsein der Gleichzeitigkeit von Universen. Es ist der Versuch, sie in einem eigenen zu verbinden. Wir haben uns der Ausdehnung dieser Geschichte hingegeben und sind ihren Spuren gefolgt, bis ans Matterhorn und darüber hinaus.
»The interregnum is the journey, the need to collect our personal belongings, leave our familiar places, give up our certainties and embark on the path of our journey.«
Carlo Bordoni